Öffentliche Spitäler müssen heute als Unternehmen erfolgreich wirtschaften und Gewinne erzielen, um ihre Investitionen zu finanzieren. Kosten – insbesondere die Personalkosten – stellen in dieser Logik eine latente Last dar. So geraten die Arbeitsbedingungen und Löhne des Gesundheitspersonals immer mehr unter Druck.
Die neue Spitalfinanzierung (Swiss DRG) etablierte den Wettbewerb unter den Spitälern und sollte so zu mehr Effizienz und Kostensenkungen im Gesundheitswesen beitragen. Auch öffentliche Spitäler müssen heute als Unternehmen erfolgreich wirtschaften und Gewinne erzielen, um ihre Investitionen zu finanzieren. Kosten, insbesondere die Personalkosten, stellen in dieser Logik eine latente Last dar. Gleichzeitig verstärken die kantonalen Sparprogramme permanent den Druck auf die öffentlichen Spitäler.
Arbeitsbedingungen unter Druck
Vor der Einführung der neuen Spitalfinanzierung 2012 waren ausschliesslich die öffentlichen Spitäler subventioniert worden. Dies gilt neu auch für private Institutionen, die kantonale Leistungsaufträge besitzen und auf den Spitallisten stehen. Aufgrund ihrer allgemeinmedizinischen Ausrichtung und der Verpflichtung, alle Kranken und Unfallverletzten aufzunehmen, wird die Stellung der öffentlichen Spitäler gegenüber den privaten Kliniken geschwächt. Denn letztere konzentrieren sich seit jeher auf rentable Dienstleistungen und profitieren nun zusätzlich von staatlichen Subventionen. Auch können sie ihr Personal ohne jegliche Auflagen wie etwa durch einen Gesamtarbeitsvertrag oder ein kantonales Personalgesetz einstellen. Die öffentlichen Spitäler stehen unter Zugzwang, sich im Eiltempo dieser Wettbewerbssituation anpassen zu müssen. Dadurch geraten die Arbeitsbedingungen und Löhne des Personals massiv unter Druck. Viele Spitäler sehen sich zudem mit dem Problem veralteter Bauten aus den 70er und 80er Jahren konfrontiert, die ersetzt oder umfassend renoviert werden müssen. Diese Investitionen müssen alle Krankenhäuser heute aus eigener Kraft stemmen.
Der schleichende Kollaps des Personals
Dass die öffentlichen Spitäler während dieser politisch gewollten Strukturbereinigung funktionsfähig bleiben, liegt vor allem an der aussergewöhnlichen Arbeits- und Berufsethik des Gesundheitspersonals, welches vorwiegend aus Frauen besteht. Allerdings deutet das Obsan Bulletin 7/2016 „Berufsaustritte von Gesundheitspersonal“ darauf hin, dass die als typisch weiblich geltende Opferbereitschaft bröckelt. Demnach steigt ein bedeutender Anteil der Fachkräfte wieder aus dem Beruf aus, wobei die Anzahl Austritte mit zunehmendem Alter überproportional zunehmen. „Der Fachkräftemangel in den Schweizer Spitälern und Kliniken ist besorgniserregend“, war denn auch im Magazin „H+ Bundeshaus“, Februar 2016, zu lesen. Laut der Vereinigung der Schweizer Spitäler H+ braucht es in den Spitälern jährlich Tausende zusätzliche Fachkräfte. Davon könne zurzeit nicht einmal ein Drittel gedeckt werden. Dieser drohende Fachkräftemangel wird sich durch die Auswirkung der Masseneinwanderungsinitiative zusätzlich verstärken. Und die Idee, infolge der Schliessung „ineffizienter“ Spitäler, Bereiche und Abteilungen und von Produktivitätssteigerungen durch Fusionen und Auslagerungen brauche es künftig weniger Personal, geht erstens nicht auf und belastet zweitens die Angestellten auf unerträgliche Weise.
Kein einheitliches Muster
Da jeder Kanton seine eigene Gesundheitspolitik betreibt, ist es schwierig, die Auswirkungen der Sparprogramme, Privatisierungen und des Wettbewerbs als Muster zu erkennen. Die Strukturbereinigung findet je nach politischer Zusammensetzung von Regierung, Parlament und Bevölkerung regional, zeitlich und auch in ihrer Geschwindigkeit unterschiedlich statt. Der VPOD kämpft landesweit für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne und gegen Spitalprivatisierungen. Der Anhang bietet konkrete Informationen zur aktuellen Situation in den einzelnen Regionen.
Unsere Forderungen
Der VPOD als die Gewerkschaft für das Gesundheitspersonal wird an seinem nationalen Aktionstag vom 3. November auf die bedenkliche Entwicklung in den öffentlichen Spitälern hinweisen und auf die grosse Belastung des Personals aufmerksam machen. Die Revision des Krankenversicherungsgesetzes von 2007 und die Einführung der neuen Spitalfinanzierung führten bis heute zu keiner wesentlichen Kostensenkung im Gesundheitsweisen, stattdessen jedoch vielerorts zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Löhne vieler Angestellten. Deshalb sollte das auf nationaler Ebene etablierte System der Spitalfinanzierung auch Regelungen bezüglich des Personalbestandes (Qualität UND Quantität) und die Verpflichtung zu kantonalen oder regionalen Gesamtarbeitsverträgen (GAV) oder Personalgesetzen für alle Institutionen auf den Spitallisten beinhalten.
Das Spitalpersonal hat das Recht auf faire Arbeitsbedingungen und Löhne. Der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD fordert deshalb:
Bekämpfung von Lohndumping
- Spitäler auf den Spitallisten müssen sich an die Arbeitsbedingungen und Löhne des Personals öffentlicher Spitäler halten bzw. die Bedingungen der kollektiven Arbeitsverträge (GAV) oder Personalreglemente einhalten.
- Stellen, die mehrfach durch Temporärangestellte besetzt werden, müssen in Feststellen umgewandelt werden. Temporärangestellte sollen die gleichen Arbeitsbedingungen und Löhne wie Festangestellte haben.
- Die Arbeit in den Spitälern ist anspruchsvoll, anstrengend und mit einer hohen Verantwortung verbunden. Deshalb muss das Lohnniveau generell angehoben werden.
Gesundheitsschutz
- Spitäler müssen mit verbindlichen Personalschlüsseln arbeiten, welche das Verhältnis der Anzahl Angestellten zur Anzahl Fälle regeln. Dies dient dem Gesundheitsschutz des Personals UND der PatientInnen. Die Stellenschlüssel müssen transparent und dem Personal bekannt sein.
- Erhöhung der Zeitkompensationen für unregelmässige Arbeitszeiten sowie für Nacht- und Wochenendarbeit zum Schutz des Personals vor Stress und Erschöpfung. Der VPOD fordert alle drei Jahre einen Kompensationsurlaub.
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben durch verbindliche Arbeitszeiten. Dienstpläne müssen mindestens 2 Monate vor dem Einsatz bekannt sein. Kurzfristige Änderungen bedürfen der Zustimmung der Mitarbeitenden und müssen abgegolten werden.