Umsetzung Pflegeinitiative

Von: Viviane Hösli

Ein neues Gesetz befindet sich in der Vernehmlassung. Der Vorschlag des Bundesrates geht nicht weit genug.

Am 8. Mai 2024 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur zweiten Etappe der Umsetzung der Pflegeinitiative eröffnet. Dabei stehen die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals im Fokus.

Der Bundesrat schlägt als Leitmaßnahme in Bezug auf die Arbeitsbedingungen die Verabschiedung eines neuen Bundesgesetzes vor – das Bundesgesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP). Dessen Inhalt könnte langfristig zu Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen des Personals im Gesundheitsbereich führen. Das BGAP ist jedoch ein notwendiges und lang erwartetes Gesetz: Der Bundesrat muss es daher schnell und radikal überarbeiten, damit die vom Volk befürwortete Initiative für eine starke Pflege nicht zu einer Falle für das Gesundheitspersonal wird.

Falsche Feststellung als Ausgangspunkt des BGAP

Der Bundesrat geht von der Prämisse aus, dass die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor schlecht sind, weil es in der Schweiz angeblich keine oder nur wenige Regelungen gäbe. In dieser Logik könnten die Bedingungen verbessert werden, wenn Gesamtarbeitsverträge (GAV) ausgehandelt würden. Diese Annahme verkennt, dass es in vielen Kantonen sehr wohl GAVs gibt. Parallel dazu regeln auch kantonale oder kommunale Verordnungen und Gesetze – die den Arbeitnehmenden einen besseren Schutz als GAVs gewähren – die Arbeitsbedingungen in Spitälern, Pflegeheimen oder Spitex-Organisationen. Heute reichen diese privaten oder öffentlichen Regelungen jedoch nicht aus, um gesundheitliche Beeinträchtigungen, die Abwanderung in andere Berufe und das vorzeitige Ausscheiden von Gesundheitspersonal zu verhindern. Das BGAP muss dahingehend geändert werden, dass echte Mittel für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bereitstehen.

Fehlende Finanzierung im BGAP

Der VPOD stellt fest, dass der Gesetzesentwurf keine Bestimmungen vorsieht, die die Kantone oder den Bund verpflichten, die 2. Etappe der Pflegeinitiative zu finanzieren. Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals ohne zusätzliche Finanzierung verbessert werden.

Das BGAP: ein Risiko für den öffentlichen Sektor

Der Gesetzentwurf verfehlt das Hauptziel: Alle Arbeitgeber:innen, ob öffentlich, halböffentlich oder privat, sollen durch zwingende Bestimmungen verpflichtet werden, die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals wirklich und schnell zu verbessern: Bessere Kompensation für Nachtarbeit in Höhe von 50 % statt der derzeitigen 10 % im Arbeitsgesetz, automatische Bezahlung von Überstunden, Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs usw.

In mehreren Kantonen könnte das BGAP sogar bedeuten, dass das Gesundheitspersonal aus den kantonalen und kommunalen Gesetzen ausgeschlossen wird. Im Klartext: Der Bericht des Bundesrats weist darauf hin, dass die Verpflichtung zur Aushandlung von Gesamtarbeitsverträgen auch für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber gelten kann. Diese GAVs könnten dann als Hebel dienen, um das Gesundheitspersonal aus den öffentlichen Personalrechten auszugliedern. Es ist jedoch bekannt, dass der Schutz der Arbeitnehmer:innen im öffentlichen Recht eindeutig besser ist als im Privatrecht.

Unzureichende Standards in einem Sektor, der privatisiert wird

Das BGAP schlägt einige möglicherweise verbindliche Bestimmungen zur Regelung der Arbeitsbedingungen vor. Zum jetzigen Zeitpunkt hätten diese wenigen Bestimmungen kaum Auswirkungen auf den Alltag der Mehrheit des Personals. In seiner ausführlichen Vernehmlassungsantwort schlägt der VPOD Lösungen für ein BGAP vor, das verbindlich ist und alle Arbeitgeber:innen, private wie öffentliche, dazu verpflichtet, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Gleichzeitig würde die KVG-Revision (EFAS) die Macht der Kantone beschneiden

Der Bundesrat schickt das BGAP in die Vernehmlassung, während er im Parlament, lange nach der Volksabstimmung über die Initiative für eine starke Pflege, eine Reform des KVG (Einheitliche Leistungsfinanzierung – EFAS) durchgebracht hat, über die am 24. November 2024 abgestimmt wird. Gerade diese Reform wird aber die Situation der Krankenversicherer massgeblich stärken, und es den Kassen ermöglichen, durch den neuen Finanzierungsmechanismus der Pflegeleistungen ein zunehmend liberales und privatisiertes Gesundheitssystem durchzusetzen. In diesem Zusammenhang gibt das BGAP den Kantonen keine wirkliche Macht, Regelungen zu den Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Mehr Wettbewerb, mehr Privatisierung, weniger öffentliche Dienstleistungen und weniger regulierte Arbeitsverträge sind die Folgen.


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06.09.2024 2. Etappe zur Umsetzung der Initiative «Für eine starke Pflege» PDF (72.2 kB)