Heute neue TISA-Leaks von Greenpeace

25.11.2016 – von Stefan Giger

Heute morgen seit 10 Uhr stellt Greenpeace in Berlin weitere geleakte Dokumente zu den TISA-Verhandlungen vor. Von einigen dieser Dokumente waren schon frühere Versionen geleakt worden, die jetzt publizierten bilden den neuesten Stand ab (September und Oktober 2016).

State-Owned Enterprises

Der Anhang erfasst grundsätzlich alle staatseigenen Betriebe. Die Schweiz hat in ihrer jüngsten Offerte vom 21. Oktober 2016 den früher gemachten Vorbehalt für die kantonale und kommunale Ebene fallen gelassen. Grundsätzlich werden nun also auch Betriebe erfasst, die Kantonen und Gemeinden gehören (und das sind eine Menge: die meisten Kantonsspitäler, aber auch Kantonswerke wie BKW, EKZ, ewz, IWB Basel usw. und Entsorgungsbetriebe usw.). In Artikel 5 des Anhangs ist die Möglichkeit enthalten, dass ein Land in einer Länderliste Ausnahmen von der Pflicht zur nichtdiskriminierenden Behandlung machen kann, sofern die Ausnahme schon für den Hauptteil des Abkommens gemacht wurde. (Art. 4 [Non dicriminatory Treatment and Commercial Sonsideration] shall not apply with respect to the non-conforming activities of state owned entreprises that a Party lists in its schedule to this annex, in accordance with the terms of the Party^s schedule.) Die Schweiz hat beispielsweise das Gesundheitswesen von dieser Pflicht ausgenommen und kann diese Ausnahme nun offenbar auch für diesen Anhang machen. Diese Ausnahmemöglichkeit ist gerade im Gesundheitswesen wichtig, damit nicht Privatkliniken gegen Kantone klagen können, wenn sie nicht auf die Spitalliste gesetzt werden. Diese Ausnahmemöglichkeit ist also zu begrüssen. Allerdings kommt gerade hier deutlich zum Ausdruck, welche Gefahren solche Ausnahmelisten bieten: Was nicht auf dieser Ausnahmeliste steht, ist der Deregulierung unterworfen. Bei neue Dienstleistungen, die wir heute noch gar nicht kennen („new services“), würde dieser Anhang zur Anwendung kommen, wenn eine Gemeinde, ein Kanton oder der Bund diese neuen Services durch einen staatlichen Betrieb organisieren möchten. Soviel wir wissen, steht die Schweiz wie die EU auf dem Standpunkt, dass neue, noch unbekannte Dienstleistungen nicht von TISA erfasst werden dürfen, die USA wollen hingegen alle new services ausnahmslos unterstellen. Dieser Streit ist wohl noch nicht entschieden.

Transparency

Es zwar etwas merkwürdig, dass TISA zwar weitgehend im Verborgenen mit unklaren Verhandlungsmandaten verhandelt wird, dass aber genau dieses Abkommen einen Anhang über „Transparenz“ enthalten soll. Natürlich wird hier nicht Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gefordert, sondern der Einbezug von Grosskonzernen und die Garantie von Mitwirkungsrechten von Grosskonzernen, wenn sie von staatlichen Regulierungen betroffen werden. Die Dokumente zeigen, dass die Schweizer Delegation diese „Transparenz“-Anforderung auf gesetzgeberische Massnahmen („law or regulation“) beschränken will, dass andere TISA-Parteien (USA, EU usw.) auf jegliches staatliches Handeln („mesures“) ausdehnen wollen. Interessant ist auch, dass die Schweiz bei dieser Konsultationspflicht nur Konsultation in den Landessprachen akzeptieren will, die USA verlangen zwar, dass ihre Multis angehört werden, aber die Länder müssten zwingend alles in Englisch verfassen.

Telecommunication Services

Der alte Streitpunkt ist immer noch drin: Wenn der Staat Regulierungsbehörde ist, darf er keine Aktien von Telecomfirmen besitzen. In der Schweiz müsste der Bund also die Swisscom vollständig privatisieren, denn die Regulierungsbehörde ist der Bund (Eidgenössische Kommunikationskommission ComCom) und der Bund ist auch Mehrheitsaktionär der Swisscom (was jedes Jahr mehrere Hundert Millionen Franken in die Bundeskasse spült). In den Dokumenten findet sich der Schweizer Vorschlag: Eine Beteiligung soll dann möglich sein, wenn Regulierungsbehörde und Aktionariat von unterschiedlichen Departementen kontrolliert werden (z.B. Verkehrsdepartement UVEK und Finanzdepartement EFD). Es ist in den Dokumenten nicht erkennbar, ob die Schweiz hier Verbündete hat: es wird als reiner Schweizer Vorschlag dargestellt…